31.08.2017 | PDF
Nürnberger Nachrichten
Chinesischer Mutterkonzern verschafft den Franken Zugang zu modernster Technologie
VON KLAUS WONNEBERGER
Vor rund zwei Jahren wurde der traditionsreiche Fernsehgerätehersteller Metz-Werke in Zirndorf vom chinesischen Investor Skyworth aus der Insolvenz gerettet. Die Übernahme zeigte erste Auswirkungen. Plötzlich sind ganz neue Töne aus Zirndorf zu hören – und das liegt nicht an sprachlichen Unterschieden.
ZIRNDORF – Schon etwas älter, zahlungskräftig, nicht unbedingt ein Technik-Freak, mit deutlicher Präferenz für Bedienkomfort – so in etwa sieht der typische Kunde von Metz Fernsehgeräten aus. Der fränkische Mittelständler war nie in der ersten Reihe, wenn es um technologische Neuheiten ging. Qualitativ Bewährtes war das, was der Metz-Kunde sucht und findet.
Umso mehr lässt aufhorchen, wenn Norbert Kotzbauer, der Geschäftsführer der Metz Consumer Electronics (CE) GmbH, im Vorfeld der Internationalen Funkausstellung Ifa in Berlin plötzlich tief in der Ideenkiste kramt und Themen ans Tageslicht holt, die derzeit allenfalls bei Innovationsführern diskutiert und umgesetzt werden. Wallpaper-TV ist so ein Projekt, mit dem sich Metz-Ingenieure beschäftigen: Das sind hauchdünne Bildschirme, die man überall in der Wohnung anbringen und zur Not auch Zusammenrollen kann. Oder Fernsehen mit Hilfe von Sprachsteuerung.
Und auch „an das Andoid-Betriebssystem tasten wir uns heran“, verrät Kotzbauer. Damit wird die Glotze zum vernetzten Computer, mit dem man eher zusätzlich noch linear – also streng nach Programmzeitschrift – fernsehen kann, nicht wie bisher umgekehrt.
So viel Progressivität hat natürlich seinen Grund. Metz war Ende 2014 in die Insolvenz geschlittert. Ein halbes Jahr später hat der chinesische Branchenführer Skyworth die Fernsehsparte der Franken mit 152 Mitarbeitern als Metz Consumer Electronics GmbH übernommen. Heute arbeiten hier stabil über 160 Beschäftigte unter anderem in der Softwareentwicklung, der Gerätemontage und der Qualitätsprüfung. „Mit Skyworth sind wir eingebunden in einen global agierenden Konzern mit über sechs Mrd. € Umsatz und fast 40000 Mitarbeitern“, berichtet Kotzbauer. Das berge wirtschaftliche Stabilität und verschaffe Zugang zu Technologien „an die wir als Mittelständler, wie es Metz vor der Insolvenz war, nie gekommen wären“, erläutert Kotzbauer.
Er meint damit unter anderem Chipsätze, mit denen die gesamte Branche aus Asien versorgt wird. „Deren Lieferanten hätten mit uns als Mittelständler erst gar nicht gesprochen.“ Auch der Zugang zur neuen OLED-Technologie und zu den erwähnten anderen Zukunftsthemen schafft Metz „zu einem sehr frühen Zeitraum – so etwas war früher nicht möglich“, freut sich der Metz-CE-Chef.
Ganz ohne Reibungsverluste geht es aber nicht. „Es gab Anlaufschwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den chinesischen Investoren“, gibt der Geschäftsführer unumwunden zu – vor allem bei dem Versuch von Skyworth, als eigenständige Marke auf dem europäischen und speziell auf dem dank unterschiedlicher Handelskanäle überaus komplizierten deutschen Markt Fuß zu fassen. „Die neuen Eigentümer mussten diesen Markt erst kennenlernen, das hat länger gedauert als erwartet“, so Kotzbauer. „Die neuen Eigentümer mussten diesen Markt erst kennenlernen, das hat länger gedauert als erwartet“, so Kotzbauer. Anvisiert war der Markteintritt in Deutschland und Österreich eigentlich bereits für 2015/16. Mit zeitlicher Verzögerung soll nun aber nach Italien und Osteuropa auch der deutsche Konsument erobert werden.
Die Vermarktung der Skyworth-Produkte in Deutschland und Österreich auf weitgehend separaten Vertriebswegen soll den Franken zusätzlichen Aufwind bescheren und das zweite wichtige Standbein der GmbH werden. Außerhalb der beiden Länder übernehmen die Chinesen den Vertrieb für Skyworth-Produkte selbst.
Die Umsätze von Metz CE werden im laufenden Jahr wieder die Marke von 100 Mio. € überschreiten, erwartet Kotzbauer. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres seien die Nettoerlöse um 35 Prozent angezogen. Dabei wirke sich aus, dass Metz die Absatzkanäle über die Fachmärkte weiter ausbaue – von den 2000 Händlern, mit denen die Zirndorfer zusammenarbeiten, zählen inzwischen 120 zum Segment der Fachmärkte wie die Expert-Geschäfte. Im Vorjahr waren es erst 80, wie es dazu in Zirndorf heißt. „Für uns war 2016 noch ein Übergangsjahr, heuer wollen wir auf der Ifa in Berlin durchstarten“, zeigt sich der Metz-Manager selbstbewusst. Unter anderem stellen die Franken eine neue Metz Produktfamilie im Presmium-Einstiegsbereich mit UHD-Bildschirmtechnologie vor und komplettieren damit ihr Sortiment.
Moment mal. Metz CE profitiert von der Übernahme durch chinesische Investoren? Wie passt das in das Bild von der gelben Gefahr, die doch angeblich massiv den Standort Deutschland bedroht?
In der Tat verläuft die Diskussion einseitig, wenn es um das Engagement Chinas in westlichen Industrienationen, vor allem in Deutschland, geht. Natürlich sind die Zahlen zunächst beeindruckend. Vor zehn Jahren haben die Asiaten beschlossen, ihre Strategie zu ändern. Statt Technologien zu kopieren gehen sie seither lieber im Ausland auf Einkaufstour, um Know-how und Zutritt zu europäischen Märkten zu bekommen – mit atemberaubendem Tempo. Mehr als geschätzt zehn Mr. Haben Investoren aus dem Reich der Mitte allein 2016 für solche Aufkäufe hierzulande ausgegeben – noch ein Jahr zuvor waren das weniger als 900 Mio. €
Aus dieser Finanzkraft aber ausschließlich eine Bedrohung abzulesen, wäre zu kurz gegriffen. Denn oft fließt chinesisches Kapital in marode betriebe – wie im Fall der Solarfirma Conergy. Oder in Unternehmen, die damit plötzlich Zugang zu neuen Märkten und Geschäftsfeldern erhalten haben, wie der
Betonpumpenhersteller Putzmeister. Und nicht selten entstehen mit dem frischen Kapital neue Stellen in Deutschland, wie eine PwC-Studie belegt. Metz CE ist also kein Einzelfall.
Natürlich haben die Chinesen – oft getrieben vom Staat – knallharte wirtschaftliche und technologische Interessenten. Und ob der Fall Metz CE ein Erfolgsspiel wird, das muss sich in der Tat erst noch erwiesen. Aber Skyworth hat den Franken wenigstens eine zweite Change zum Überleben eröffnet – bei der Übernahme durch westliche Finanzhaie wäre das keineswegs sicher gewesen.