04.11.2025
automobil-industrie.vogel.de
von Gerald Scheffels
Sechs Wochen nach dem Insolvenzantrag der Kiekert AG ist noch nicht entschieden, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Joachim Exner informiert über den aktuellen Stand.
Die Branche traf die Nachricht unerwartet: Am 23. September 2025 hat die Kiekert AG in Heiligenhaus Insolvenz angemeldet mit der Begründung, dass der Eigentümer, die chinesische North Lingyun Industrial, Geldmittel im dreistelligen Millionenbereich nicht bereitgestellt habe.
Das Amtsgericht Wuppertal ordnete daraufhin die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner, Nürnberg, zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Sein Ziel ist die Stabilisierung und Fortführung des Geschäftsbetriebs: „Gemeinsam mit den Verfahrensbeteiligten führen wir Verhandlungen, um alle Optionen zur Neuausrichtung zu prüfen.“
Dass die produzierenden Kiekert-Gesellschaften unter anderem in Tschechien und Mexiko nicht von der Insolvenz betroffen sind – in Heiligenhaus befindet sich nur eine kleinere Fertigungseinheit -, erleichtert die Fortführung der Produktion, die an allen Standorten stabil läuft. Zudem sind, so Joachim Exner, die Gehälter der Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter auch über den Insolvenzgeldzeitraum hinaus gesichert.
Aktuell ist noch offen, ob der Insolvenzantrag bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgenommen, und das Verfahren überhaupt eröffnet wird. Was geschieht, wenn dieses Ziel nicht erreicht wird? Joachim Exner: „In diesem Fall entscheiden alleine die Gläubiger, gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter, über das weitere Schicksal des Unternehmens. Gesellschafter und Vorstand haben dann keine Entscheidungsbefugnisse mehr.“
Eigentümer Lingyun spielt entscheidende Rolle
Eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Rolle dürfte dabei dem Eigentümer Lingyun zukommen. Gibt es Kontakt zu ihm? Joachim Exner: „Ja, es gibt Kontakte. Ob Mittel zur Fortführung des Geschäftsbetriebes bereitgestellt werden, vermag ich nicht einzuschätzen.“ Wenn das geschieht, würde Lingyun wohl Eigentümer bleiben – und dürfte großen Gesprächsbedarf beim Vorstand von Kiekert haben.
Wenn keine Mittel fließen, wird ein neuer Eigentümer gesucht. Der findet dann, so teilte das Unternehmen mit, volle Auftragsbücher vor und auch innovative Neuentwicklungen für elektrifizierte und automatisierte Öffnungs- und Schließsysteme.
Mit acht Insolvenzverwaltern und mehr als 170 Mitarbeitern zählt die 1998 von Dr. Siegfried Beck gegründete Sozietät zu den Führenden Kanzleien für Insolvenzverwaltung in Deutschland. Vom Stammsitz in Nürnberg und sieben weiteren Büros aus betreut sie Insolvenzverfahren mit lokalem, überregionalem und internationalem Bezug und setzt dabei einen Schwerpunkt in der Automobilzuliefererindustrie. Joachim Exner gilt seit vielen Jahren in diesem Bereich als Spezialist für komplexe Fälle. Er betreute schon mehr als 400 Insolvenzen, etwas die von Eisenmann und der Dr.-Schneider-Gruppe. Aktuell ist Exner auch Insolvenzverwalter bei WKW.
Die Kiekert AG wurde 1857 in Heiligenhaus gegründet. Das Unternehmen beschäftigt rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme und in zehn Ländern auf drei Kontinenten mit Produktion sowie Forschung und Entwicklung vertreten. Fast jedes dritte Auto weltweit ist mit Komponente von Kiekert unterwegs. Die Hauptproduktion für Europa befindet sich in Přelouč/Tschechien, die USA werden von Puebla/Mexiko aus beliefert. Seit 2012 ist die Kiekert AG Teil der chinesischen North Lingyun Industrial Co. Ltd, die ebenfalls u.a. als Automobilzulieferer tätig ist.